Mit seinem einzigartigen Drive, seiner stilistischen Vielseitigkeit, seinem immer auf das Richtige und Wichtige reduzierten Drumming, aber auch mit seinen Qualitäten als Komponist wurde Wolfgang Haffner der bedeutendste deutsche Schlagzeuger seiner Generation.
1965 im fränkischen Wunsiedel als Sohn eines Kirchenmusikdirektors und einer Klavierlehrerein geboren, fand Haffner sehr früh zur Musik. Als er sechs war, brachte sein Vater ein Drum-Kit mit nach Hause. „Es stand da, dann hab‘ ich mich mal dahinter gesetzt. Und dann war’s klar“, berichtet Haffner von seiner Bestimmung. Schon als Teenager trommelt er sich so aufsehenerregend durch die fränkische Musikszene, dass sein Talent auch anderswo ins Auge sticht: Mit 18 holt ihn der große Albert Mangelsdorff in seine Band – 20 Jahre lang währte diese Verbindung, eine musikalisch wie menschlich prägende Partnerschaft.
Der junge Shooting Star der Schlagzeugszene birst vor Tatendrang und spielt stilübergreifend für zahllose Stars: In den Bigbands von Peter Herbolzheimer, des WDR und NDR, zwei Jahre lang (noch vor seinem 30. Geburtstag) in der Band von Chaka Khan, elf Jahre bei Klaus Doldingers Passport, vier Jahre bei Konstantin Wecker. Er arbeitet mit Jazzern wie Al Jarreau, Pat Metheny, Nils Landgren, Jan Garbarek, Randy Brecker, Bugge Wesseltoft, Nils Petter Molvaer, Mike Stern, Larry Carlton, Ivan Lins oder der deutschen All-Star-Band Old Friends, um nur einige zu nennen. Aber auch mit Stars aus dem Pop- und Hip-Hop-Bereich wie Nightmares on Wax, den Fantastischen Vier, Xavier Naidoo, oder Max Mutzke. Im Fusion-Genre betätigt er sich im Quartett Metro wie auch als Produzent der isländischen Band Mezzoforte für deren Album “Forward Motion”. Weit über 400 Einspielungen und tausende von Konzerten (darunter im Jahr 2000 eine 280-tägige Welt-Tournee und bis heute insgesamt alleine 28 Asien-Tourneen!) in über 100 Ländern dieser Erde sind von seinem Spiel geprägt.
Begehrt ist Haffner auch deswegen, weil er sein Schlagzeugspiel nie als Selbstzweck sieht, sondern sich stets in den Dienst der Musik und der Band stellt. Was sich vor allem bei seinen eigenen Projekten zeigt, die ihn als einen kompletten Musiker ausweisen, der immer neugierig und offen für neue Wege ist. Ob beim zusammen mit dem Keyboarder Roberto Di Gioia gegründeten NuJazz-Projekt Zappelbude, das in den 90er Jahren seiner Zeit weit voraus war; ob bei seinem ACT-Debüt unter eigenem Namen, dem 2006 im Quintett eingespielten „Shapes“, das er zwei Jahre später nochmal in einer rein akustischen Trio-Version reanimiert; ob mit „Round Silence“, für das er 2010 den ECHO Jazz bekommt; oder ob für „Heart of the Matter“, auf dem er seine Freunde Götz Alsmann, Till Brönner, Thomas Quasthoff, Sebastian Studnitzky und Sting-Gitarrist Dominic Miller um sich versammelt.
Das trotz so vieler Karriere-Höhepunkte wohl bedeutendste und persönlichste Projekt hat Haffner in den vergangenen sechs Jahren vollendet: Eine Trilogie mit dem Obertitel „Kind of“. Standen bislang oft funkige, elektronische oder poppige Klänge im Focus, widmete sich Haffner hier kammerjazzig drei Herzensthemen. Das 2015 erschienene „Kind of Cool“ trägt die großen Helden des Cool Jazz, die auch seine Anfänge prägten – „Dave Brubecks Carnegie Hall Konzert war meine erste Platte“ – mit einer europäischen All-Star-Band in die Gegenwart, konfrontiert die Stilistik von Koryphäen wie Miles Davis, Chet Baker oder John Lewis mit der jeweils anderen und verwandelt sie in eine ganz persönliche Hommage. Was umso mehr für den zweiten Teil „Kind of Spain“ gilt, seine 2017 vorgelegte Jazz-Liebeserklärung an Flamenco und die Mittelmeer-Musik seiner ehemaligen Wahlheimat – Haffner lebte einige Jahre auf Ibiza. Damit gewann er 2018 noch einmal den ECHO Jazz, sicher nicht die letzte in der langen Reihe von Ehrungen, zu denen unter anderem der Kulturpreis Bayern, der Große Preis der Stadt Nürnberg und der Joachim-Ernst-Behrendt-Ehrenpreis der Stadt Baden-Baden gehören.
Titel und Thema des im Februar 2020 erschienenen Abschlusses der Trilogie überraschten wohl die meisten: „Kind of Tango“. Wobei Haffner ausdrücklich betont, dass dies kein typisches Tango-Album ist, sondern eine von Astor Piazzolla und anderen inspirierte Übersetzung des Tango-Lebensgefühls in seine eigene musikalische Welt. Etwas, das ihn schon lange beschäftigte, spätestens seit einem Konzert mit den German Allstars 2004 im berühmten Teatro Colon in Buenos Aires. Alte Weggefährten wie der Bassist Lars Danielsson oder der Vibraphonist Christopher Dell begleiten ihn auf „Kind of Tango“ ebenso wie die internationalen Größen Ulf Wakenius und Vincent Peirani, aber auch blutjunge Talente wie der Pianist Simon Oslender und die Sängerin Alma Naidu. Denn Haffner hat nicht vergessen, dass er einst von Albert Mangelsdorff die Chance bekam, im Rampenlicht zu stehen, und verhilft nun der nächsten Generation dazu.
Haffner ist fokussierter denn je. Auf seine Musik, auf seine Band, auf großartige Allstar-Projekte wie unlängst 4 Wheel Drive mit Nils Landgren, Michael Wollny und Lars Danielsson oder auf die künstlerische Leitung von „Stars im Luitpoldhain“ in Nürnberg, des alle zwei Jahre stattfindenden, größten Open-Air-Jazz-Events in Europa. Was immer noch von ihm kommen wird, stets wird es vom unverwechselbaren „Haffner-Touch“ veredelt sein.