Ulf Wakenius plays the music of Keith Jarrett
Das Album ist Herzenssache. Aber natürlich nicht nach Franz Lehars oder Heinz Rudolf Kunzes "Dein Ist Mein Ganzes Herz", auch wenn es die gleiche Gefühlslage ansprechen will. Aber eben in einer anderen Stilistik: Keine Operette, kein Pop, sondern instrumentaler Akustik-Jazz. Aufs Herz kommt’s an: Das wichtigste Organ, pumpt Blut durch die Gefäße, Gehirn und Lungen, den Treibstoff fürs Liebemachen. Dies Album legt aber kein Zeugnis ab von einer stürmischen Liebesaffäre oder von einer verflossenen Romanze, sondern es erzählt von zarten, zu Herzen gehenden Momenten. Passion stieg in Ulf Wakenius auf, als er 2003 aus Anlass der Verleihung des Polar Preises an Keith Jarrett in Stockholm eine Ballade des Pianisten mit dem Schwedischen Radio Symphony Orchester spielte. Passion für die Schönheit all der Stücke, die Jarrett geschrieben hat, aber seit 20 Jahren selbst nicht mehr spielt. "Er ist einer der drei großen Pianisten in meinem Musikbuch, meine Nummer 1 ist natürlich Oscar Peterson, dann kommen Herbie Hancock und Keith Jarrett. Da ich auf meinen zehn Soloalben oft genug die Gelegenheit genutzt habe, eine meiner Kompositionen Oscar Peterson zu widmen, wollte ich diesmal den Fokus auf Jarrett richten", erklärt Wakenius. Es verbietet sich natürlich geradezu, Jarrett-Stücke für ein Gitarrentrio zu transkribieren. Also nutzte er seine "Carte Blanche" als Gitarrist und erfand die Stücke neu, zusammen mit ACT-Kollege Lars Danielsson am Kontrabass, Cello, Piano und dem einfühlsamen Schlagzeuger Morten Lund. Immer aus dem Blickwinkel ‚Weniger ist Mehr’, was die Notenmenge betrifft. "Schon Miles Davis sagte: ‘Vergeude keine Noten’", zitiert er den berühmten Trompeter in der für ihn typischen heiseren Stimme.
Was heißt Notes From the Heart ? "Spiel jede Note, wie du sie wirklich meinst, jede Note sagt etwas aus. Und denk nicht zu viel. Wenn ich mich zu sehr vorbereite, geht oft etwas schief, folge lieber den Impulsen. Ich denke nicht zu viel an Harmoniewechsel, sondern folge ganz dem Impuls, der vom Herzen kommt. Das ist wie bei einem guten Gespräch. Du antwortest einfach auf Fragen, egal zu welchem Thema. Und so gelangst du an ganz neue Themenplätze. In Amerika sagt man ‘keep the band on their toes’, was soviel heißt wie, du solltest nie alles bis ins Detail vorbereiten, damit das Überraschungsmoment entstehen kann, das so viel Frische schafft." Und was braucht man noch, damit ein musikalisches Gespräch gut gelingt? "Melodien und Groove sind weitere Schlüsselzutaten. Gute Melodien sind ganz wichtig, weil wir in einer Informationsgesellschaft leben, in der alles ganz schnell gehen soll. Schöne Melodien beruhigen den Geist." Und wenn das Gespräch balladesk wird und mild und lieblich klingen soll, zieht er die Nylonsaiten auf.
Der smarte 47 Jahre alte Schwede hat seit acht Jahren den attraktivsten Jazzgitarrenjob der Welt: Mitglied im Oscar Peterson Quartet. In einer Linie mit den großen Vorgängern Barney Kessel, Herb Ellis und Joe Pass und ihrer legendären Klasse. Diese Plattform trägt ihn in die glamouröse Welt: Er tritt im Smoking auf wie einst das Modern Jazz Quartet und das in den schönsten Konzerthallen und Arenen der Welt wie Carnegie Hall, Hollywood Bowl, Royal Albert Hall, Konzerthaus Wien und Auditorium Stravinski Montreux. Das gibt Ulf Wakenius die Möglichkeit, seine Gaben und virtuosen Qualitäten weltweit zu präsentieren.
Wie so viele seines Jahrgangs fand Ulf Wakenius über britischen Blues-Rock zur Jazzgitarre, besonders über den von Cream: "Cream habe ich rauf und runter gehört. Eric Clapton und Jack Bruce haben eine der besten Hooklines geschrieben", meint er lässig und schlägt das Thema von "Sunshine Of Your Love" beim Soundcheck für das Oscar-Peterson-Konzert beim Schleswig Holstein Musik Festival im Kieler Schloss an. "Als ich jung war, war Blues populär, nicht Jazz. Ich liebte Cream, und später fand ich heraus, dass sie das Gleiche taten wie John Coltrane, indem sie Bluesnummern wie ‘Crossroads’ einfach 45 Minuten lang spielten, und das in großen Hallen." Und dann kamen John McLaughlin und das Mahavishnu Orchestra. "Mein größtes Gitarrenidol neben Clapton." Auch die existentielle Verve von Jimi Hendrix und die Brillanz eines Johnny Winter und B.B. King beeindruckten ihn sehr. Man kann hören, wie seine musikalische Sozialisation ablief. Es ist immer dieser etwas britisch-distinguierte, blues-rockige Anklang, der durch die Phrasierung schimmert, diese kraftvolle Verschmelzung mit Jazz, die man auch wahrnimmt, wenn er sich mit Oscar Peterson solistisch duelliert.
Und er hat sich stilistisch sehr breit aufgestellt, neben Jazz hat er auch Funk und brasilianische Musik gespielt, zum Beispiel auf dem Album, das 1984 in Rio de Janeiro mit Musikern von Elis Regina und Milton Nascimento entstand. Das schaffte den Sprung in die schwedischen Albumcharts und wurde oft im Radio gespielt und mit Oscar Peterson ist er in Sao Paolo vor 35.000 Zuhörern aufgetreten.
Ulf Wakenius ist darüber hinaus ein sehr begehrter Studiomusiker und hat live mit dem Who’s Who im Jazz gearbeitet. Neben Oscar Peterson wären da zu nennen: Pat Metheny, Herbie Hancock, Michael Brecker, Ray Brown, Joe Henderson, Roy Hargrove, Niels Henning Ørsted Pedersen, Max Roach sowie seine Labelkollegin Viktoria Tolstoy. Besonders stolz ist er auf die Linernotes seines Idols John McLaughlin. Der schrieb auf Wakenius’ Soloalbum "Enchanted Moments": "Seine Art, Gitarre zu spielen, kann ich nur bewundern: als habe er sie schon in der Hand gehalten, als er auf die Welt kam."